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Giebel, die die Welt verändern – Wie die Kaufleute der Altstadt über das Münsterland hinaus Geschichte schrieben – Teil 2

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Teil 2: Der Deilmannhof an der Rothenburg 14 – 16

Münsters Altstadt gehört unbestritten zu den schönsten in Deutschland. Auf den Grenzen des alten Klosters Monasterium – dem die Stadt ihren Namen verdankt – verläuft ringförmig ein einmaliges Ensemble von Häusern, deren Wurzeln teilweise bis in das Mittelalter zurückreichen. Geschichtsträchtige Bauten, die vom Stolz ihrer Besitzer und auch vom Wohlstand der Stadt zeugen. Auf den ersten, flüchtigen Blick alles gleichartig, bei genauem Hinsehen jedes einzigartig. Sehr verschieden und doch sehr harmonisch. Wir werfen einen Blick auf die einzelnen Straßenzüge. In jeder Straße präsentieren wir ein spezielles Gebäude – auch wenn viele andere ebenfalls spannende Geschichten erzählen könnten. Im zweiten Teil der Serie blicken wir auf die Rothenburg, genauer die Hausnummern 14 bis 16 – eine imposante Immobilie, die seit 25 Jahren den Namen Deilmannhof trägt.

Untrennbar ist das Gebäude mit der Familie Rincklake van Endert verbunden. Das Register des Kirchspiels Harsewinkel von 1606 dokumentiert, dass die Rincklakes damals bereits eine weit verzweigte Familie bildeten. Diderich Rincklake wird 1681 als Betreiber einer Schreinerei urkundlich erwähnt und so gilt diese Urkunde als Beleg für die über 300-jährige Geschichte des Unternehmens Rincklake van Endert.

Wir können einen Zeitsprung von gut 150 Jahren machen. 1836 zog Kaspar Rincklake – Ururenkel von Diderich Rincklake – zur Rothenburg. Er mietete vom Schönfärber und Drucker Fröling für 200 Reichstaler das Haus Nr. 14 und richtete dort eine Schreinerei ein. 16 Jahre später konnte er die Immobilie kaufen und für seine Zwecke umbauen. Er errichtete auf dem Hofraum zu Lütken Gasse eine neue, große Werkstatt. Bereits ein Jahr später ließ er im Raum zur Rothenburg hin ein Ladenlokal einrichten. Sein Sohn Bernhard baute in den 1870-er Jahren den Laden weiter aus und vergrößerte die Schaufenster, nachdem er das benachbarte Hinterhaus Lütke Gasse 21 gekauft hatte und hier mit Werkstatt und Holzlager expandieren konnte.

Das Jahr 1912 war entscheidend für den heutigen Deilmannhof. Die bisherigen Gebäude reichten nicht mehr aus und so ließ Bernhard Rincklakes Sohn Theodor das gesamte Areal abreißen. Für rund 350.000 Mark wurde mit dem Architekten Alfred Hensen ein stattliches Gebäude errichtet, das die Hausnummern Rothenburg 14 – 16 und Lütke Gasse 18 – 22 umfasste. Über 100 Zimmereinrichtungen konnten gleichzeitig präsentiert werden.

Im Zweiten Weltkrieg musste das Geschäftshaus auf der Rothenburg ab 1943 zur Hälfte geschlossen werden und der Gauwirtschaftskammer zur Verfügung gestellt werden. Im September 1944 wurde zunächst der Gebäudeteil zur Lütken Gasse zerstört, wenig später fielen auch der Dachstuhl und die beiden oberen Etagen einem Tieffliegerangriff zum Opfer. Die zerstörte Kanalisation in der Rothenburg flutete zudem den gesamten Keller mit dem dort eingelagerten Mobiliar.

Nach dem Krieg wurde auch an der Rothenburg tatkräftig aufgeräumt und im Oktober 1948 konnte Gregor van Endert – der 1931 Annette Rincklake geheiratet hatte – das Geschäftshaus an der Rothenburg offiziell wieder eröffnen. Im Laufe der Jahre bot das Gebäude keine Expansionsmöglichkeiten mehr und Rincklake van Endert baute Ende der 1960-er Jahre an der Weseler Straße ein neues Einrichtungshaus. Im Stammhaus wurde 1974 im Erdgeschoss auf 600 Quadratmetern das Spezialgeschäft für antike Möbel „Haus Classique“ eröffnet.

1997 begann eine neue Ära an der Rothenburg. Architekt Andreas Deilmann kaufte die Immobilie. Er stellte sich der Herausforderung, das 1912 von Architekt Alfred Hensen erbaute Gebäude umzustrukturieren. Kein leichtes Unterfangen, denn es stand seit 1986 unter Denkmalschutz und jede Veränderung bedarf der Genehmigung der Unteren Denkmalbehörde. Diese hatte den Deilmannhof – wie er später hieß – als „herausragendes Beispiel für den Ersatz und die Überformung älterer innerstädtischer Baustrukturen durch neue richtungsweisende Bau- und Konstruktionsformen“ bewertet. Mit seiner straßenbildprägenden Wirkung der Formklinker-Fassade mit Rauhputzkassetten und -flächen sei von ihm eine Innovationswirkung für den Geschäftshausbau in Münster ausgegangen.

Heute sind an der Stelle des ehemaligen Möbelgeschäftes fünf Einzelhandelsgeschäfte sowie attraktive Gastronomie unter Aktivierung des Innenhofes getreten. In den Obergeschossen hat Andreas Deilmann Büros und im Dachgeschoss Wohnraum geschaffen. Dazu kam der Neubau eines Penthauses. Im Mai 2022 konnte der Deilmannhof bereits sein 25-jähriges Bestehen feiern.

top münster: Ein denkmalgeschütztes Hauses schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten doch enorm ein. Warum haben Sie es trotzdem gekauft?

Andreas Deilmann: Gerade durch die Einschränkungen liegt doch der Reiz für mich als Architekt, hier etwas Besonderes zu schaffen. Ich glaube, das ist recht gut gelungen mit einem gesunden Mix aus Handel, Gastronomie, Arbeiten und Wohnen.

top münster: Hätten Sie auch gerne etwas an der Fassade geändert?

Andreas Deilmann: Das war nicht nötig. Alfred Hensen war ja seiner Zeit schon ein Stück weit voraus. Und es gibt an der Fassade Innovationen, die man nicht sieht. Die „Fassadenbegrünung“ mit den wunderschönen Geranien wird durch ein Pipeline-System automatisch bewässert.

top münster: Vielen Dank für die interessanten Einblicke hinter die Fassade des Deilmannhofes.

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